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Peter Hollo: Brauchen wir noch Messen?

Mal Hand auf´s Herz, ein echter Brancheninsider war man die letzten Jahre doch nur, wenn man über die jeweilige Messe, auf der man sich gerade aus unerklärlichen Gründen befand, so stellte man es zumindest dar, nörgelte und seinen Unmut mit den herrschenden Verhältnissen bekundete. Das allseits beliebte "früher waren die Gänge voller" wurde von Ausstellern gerne mit dem üblichen "und die Stände werden immer teurer und der Service immer weniger" beantwortet. Zwei Parteien, seelig vereint in der gemeinsamen Bestätigung, dass früher alles besser war. Auch die Messen. Gerne wurde gemeinsam herzhaft darüber gelacht, wenn die jeweilige Messeleitung einen neuen Besucherrekord verkündete. Zur Ehrenrettung der jeweiligen Messeleitungen: da haben wir vielen von Ihnen ganz bestimmt schwer Unrecht getan ...und anderen auch nicht.

 

Nun, im Jahr 1 nach Covid, wo alle Messen nach und nach abgesagt und durch andere Formate ersetzt werden, da fühlt sich das alles schon gar nicht mehr so komfortabel an. So manche(r), der noch letztes Jahr Stein und Bein geschworen hatte, sich den ganzen Messezirkus das nächste Mal nicht mehr anzutun, der wird plötzlich nachdenklich. Es ist nicht mehr da und trotzdem kann man es fühlen - ein merkwürdiger Phantomschmerz.

 

Auch wenn nach den ersten zaghaften Anfängen inzwischen großartige virtuelle Events die Messeszene bestimmen - ein solch großartiges Event habe ich selbst maßgeblich mit entwickelt und durchgeführt ...und ich sage das um anzugeben - so gibt es ein Gefühl, dass es die virtuelle Lösung alleine vielleicht doch nicht ist. Virtuelle Lösungen sind ganz weit vorne, wenn es um Effizienz, Zielgerichtetheit und Struktur geht. Was digitale Lösungen nur schwer schaffen können ist menschliche Nähe, Smalltalk und kreative Ineffizienz. Deswegen wird die Zukunftslösung eher ein Miteinander beider Systeme sein, als ein entweder oder.

 

Wir Menschen sind nun einmal soziale Wesen. Und wir brauchen andere Menschen - die einen mehr, die anderen weniger. Gemeinschaft schafft Sicherheit, Geborgenheit und das Gefühl dazu zu gehören. Das lässt sich alleine am Rechner sitzend nur schwer darstellen. Wir brauchen auch diesen in Deutschland so verpönten und in anderen Ländern geradezu kultivierten Smalltalk. Aus so manchem Ganggespräch sind schon die größten Ideen entstanden, neue Kontakte wurden geknüpft und alte wurden vertieft. Und wir brauchen jene kreative Ineffizienz, die es uns erlaubt mal durch die Gänge zu schlendern und den Blick schweifen zu lassen. Denn nur so schaffen wir es alte eingefahrene Bahnen zu verlassen und neue Wege zu entdecken. Tun wir das nicht, dann fangen wir uns immer mehr in einem immer enger werdenden Netz aus eigener Selbstbestätigung, tradierten Mechanismen und selbst erfüllenden Prophezeiungen. Das nächste große Rad werden wir so nicht erfinden.

 

Deshalb, ja wir brauchen Messen. Als immer wiederkehrendes Lagerfeuer um das wir uns alle scharen, mit all dem was wir selbst mitgebracht haben. Mit unseren Urteilen, Vorurteilen, Anekdoten und Geschichten. An diesem Lagerfeuer entsteht Gemeinschaft und ein Mechanismus, der die Branche im Innersten zusammenhält. Insofern ist eine Messe viel mehr, als das was man von ihr sieht. Und fast unmerklich machen wir sehr gute Geschäfte. Mitunter vollkommen ineffizient und ein wenig ...fast zufällig. Schlimm? Nein. Denn die Alternative sehen wir gerade. Keine Messe ist auch keine Lösung.

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Kommentare: 1
  • #1

    Anke Loose (Donnerstag, 30 Juli 2020 14:19)

    ... KLUG geschrieben, lieber Peter !
    "... Insofern ist eine Messe viel mehr, als das was man von ihr sieht. .... keine Messe ist auch keine Lösung."

    Liebe Grüße,
    Anke.