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Peter Hollo: Es ist ruhig da draußen

Immer wenn ich sehr viele Anrufe von ganz unterschiedlichen Leuten bekomme, merke ich spätestens dann, da ist mal wieder etwas im Busch. Die derzeit einhellige Meinung scheint zu sein "es ist (zu) ruhig da draußen". Und dabei sind sich wirklich alle einig, egal in welcher Funktion sie in der Branche unterwegs sind - Handel, Industrie, Presse und Dienstleister.

 

Traditionell ist diese Zeit ab Mitte November bis zum ersten Adventssamstag immer eine Zeit in der die Branche die Luft anhält. Egal was passiert, zu ändern gibt´s nur noch wenig. Die Maschinerie rollt unaufhaltsam voran. Die Industrie hat verkauft, der Handel hat schon vor Monaten disponiert, Werbung in den einschlägigen Magazinen wurde gebucht, auf die Spielwarenmesse wird zugearbeitet. Und nicht nur das, das Folgejahr wird schon sehr intensiv geplant und bearbeitet.

 

Und genau da scheint im Herbst 2020 Sand im Getriebe zu sein. Es scheint nicht nur so, dass man vor der Schlacht noch einmal gespannt den Atem anhält, sich fokussiert und in sich geht. Es scheint fast so als würde man sich vor 2021 wegducken. Jetzt mal lieber keine aktiven Entscheidungen treffen, sondern abwarten. Und werden Entscheidungen getroffen, dann sind das of weniger gestalterische proaktive Entscheidungen, sondern stumpf reaktive Maßnahmen, deren Ziel es ist Kosten einzusparen. Zum einen verständlich, gehen wir 2021 durchaus in ein kritisches Jahr. Zum anderen auch unverständlich, denn gerade in dieser Krise zeigt sich die große Resilienz der Spielwarenbranche. Wären hier mutige Ideen und visionäre Entscheidungen nicht eher angezeigt als angstvolles Kostenmanagement? Ein Unternehmen, welches nach der wer weiß wievielten Kostenrunde schließlich mehr Häuptlinge als Indianer hat, mehr Erbsenzähler als Gestalter*innen, Kämpfer*innen oder Entdecker*innen hat am Ende vielleicht erstklassig den Quartalsbericht bedient, sich selbst aber Energie, Antrieb und gestalterische Kraft genommen.

 

Gerüchte sagen, dass jetzt schon Planungen laufen erste Marketing- oder Kommunikationsabteilungen zu verschlanken und das ein oder andere Magazin fragt sich wo denn die üblichen Werbebuchungen für 2021 bleiben. PR Agenturen, Marktforscher und andere Dienstleister wundern sich über eine seltsame Unentschlossenheit, wo in den Jahren zuvor um diese Zeit schon eine klare Roadmap für das nächste Jahr vorlag.

 

Wir werden 2021 nicht entkommen - soviel steht fest! Zaudern und zögern werden uns keinen Vorteil bringen, sondern sind eine Einladung an andere dieses Vakuum zu füllen. Siehe die zahlreichen Angebote, welche gerade in das Vakuum stoßen, welches die Spielwarenmesse mit dem Verzicht auf eine digitale Strategie für Januar/Februar hinterlassen hat. Und nicht nur das. Spätestens am 2. Januar 2021 wird draußen im Fachhandel und in den Konzernzentralen das Hauen und Stechen der Außendienstler beginnen. Ganz egal ob Key-Accounter*innen oder Gebietsverkaufsleiter*innen, alle werden sich um freie Slots und Aufmerksamkeit des Handels "prügeln". Denn was vorher auf der Messe passiert ist, das muss jetzt "irgendwie anders" an den Handel kommuniziert und verkauft werden.

 

Auch hier stellt sich die Frage, auch damit warten bis 2021 und dann wie ein Gewitter über den Handel herfallen oder jetzt schon kluge Konzepte entwickeln und diese vielleicht jetzt schon zu implementieren? Gegen alle Traditionen, gegen alles Gelernte aus den letzten Jahrzehnten. Vielleicht ist auch hier Zeit für Disruption und die derzeitige Lage eher eine Einladung neues zu wagen als sich erst mal zu ducken und zu hoffen so weitermachen zu können wie immer. Wir wissen´s nicht. Ich auch nicht. Einige werden allerdings das Unmögliche wagen und plötzlich wird sich das Establishment fragen "wo kommen die denn her?". Und wem das jetzt bekannt vorkommt - willkommen im Leben!

 

Eines gilt aber für alle: ich drücke Ihnen allen von Herzen die Daumen! Machen Sie das beste draus. 

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Kommentare: 2
  • #1

    HT (Donnerstag, 19 November 2020 20:57)

    .. und nein, es ist nicht Corona, das in erster Linie für das hier sehr gut auf den Punkt gebrachte „verharren“ der Ausgangspunkt ist.
    Es fehlen die Visionen, oder besser gesagt der Mut dazu oder noch besser (und damit angelangt beim des Pudels Kern) die Angst vor der falschen Vision. Nur hilft nichts, die braucht es ganz simpel in Form einer Vorstellung was ein Produkt X in 5 Jahren an sich haben muss um für den Endverbraucher attraktiv zu sein. Oder wie ein Handel der heute so aussieht in 3 Jahren aussehen könnte.
    Und ob nun 3 oder 5 Jahre, je nach Thema vielleicht auch nur 2 - wir alle wissen, wie lange ein Produkt ab der ersten Idee bis zur Platzierung im Regal benötigt, aus dem es dann am besten auch ab dem ersten Tag der Platzierung in Massen herausgekauft wird.
    Und wie eine Logistikkette vom Hersteller bis zum Endverbraucher unter Berücksichtigung eines veränderten Kaufverhaltens in 3 Jahren aussehen muss, sollte man sich besser heute fragen und beginnen sich darauf einzurichten - erst zu spät von heute auf morgen zu reagieren, wird schlicht weg mehr Geld kosten. („Zeit ist Geld“ gekommt da seinen ganz eigenen Sinn)
    Die regelmässige Antwort auf die Frage „wie sieht in 3 Jahren aus ?“ lautet „das kann keiner wissen, wie soll‘s also ich wissen“ und damit hat sich dann auch schon die omnipräsente Frage der Strategie erledigt.
    Ohne Vision kann‘s keine Strategie geben, aber eine Strategie zu einer Vision wird risikominimierende Faktoren genauso enthalten wie regelemässige Kontrollschleifen um zu überprüfen ob man noch am richtigen Weg ist.
    Hinzukommen zwei heute sehr angespannte Faktoren und die heissen Zeit und Geld.
    Offenbar ist weder vom einen, oder vom anderen noch genügend da, dass auch das passieren kann, von dem wir früher einmal entspannt gesagt haben, dass man aus „ihm“ lernt wenn man ihn gemacht hat - „den Fehler“.
    Die wenigsten wagen sich mit ihrem Tun, Ideen und Vorschlägen heute noch allzuweit nach vorne um im Falle eines Fehlers oder einer Fehleinschätzung nur ja nicht angreifbar zu sein.
    Seien wir wieder mutig, schauen nach vorne, stolpern vielleicht auch, richten die corona und marschieren weiter.

  • #2

    Peter Hollo (Donnerstag, 19 November 2020 22:53)

    Liebe(r) HT, warum so schüchtern und ohne Klarname? Das ist doch ein ausgewogenes Statement.