Nachdem das letzte Jahr für viele Unternehmen in der Spielware kein Erfolg war, blicken wir nun alle gemeinsam nach vorne. Was wird uns das Jahr 2024 bringen? Wir wollen heute einmal den Fokus auf ein deutsches Traditionsunternehmen richten, das abseits des Mainstreams seit Jahrzehnten eine feste Größe im deutschen Spielwarenmarkt ist. Die Rede ist von fischertechnik. Wir haben mit fischertechnik Geschäftsführer Thomas Bußhart gesprochen.
Peter Hollo: Herr Bußhart, wie fühlen Sie sich, nun da die Spielwarenmesse vorbei und das erste Großereignis der Saison abgeschlossen ist?
Thomas Bußhart: Danke für die Nachfrage, wir fühlen uns blendend. Tatsächlich war die Spielwarenmesse für uns schon das zweite Highlight des Jahres. Ende Januar waren wir mit unseren Schullösungen bereits auf der BETT, der größten europäischen Bildungsmesse in London. Aber in der Tat, die Spielwarenmesse ist jedes Jahr ein festes Highlight in unserem Veranstaltungskalender und bietet eine tolle Plattform für den Austausch mit Lieferanten, Marktbegleitern und Handelspartnern. Als Team freuen wir uns immer sehr darauf, dort unsere Neuheiten für das Jahr zu präsentieren, so auch wieder umfangreich in diesem Jahr. Umso schöner, wenn diese auf so positive Resonanz stoßen.
PH: 2023 war nicht für jedes Unternehmen ein Erfolg. Wie hat sich fischertechnik im ersten Nach-Corona-Jahr entwickelt?
TB: In der Tat, leider gab es über das ganze Jahr verteilt immer wieder schlimme Nachrichten. Wiederholt sind ganze Marken verschwunden, der Spielwarenbereich war teils von massivem Stellenabbau betroffen und Fachhändler mussten Insolvenz anmelden. Wenn man will, sind wir bei fischertechnik gegen den Trend sehr gut durch 2023 gekommen und konnten über die drei Segmente Spielware, Schulprodukte und Industrielösungen ein Umsatzwachstum von 10 Prozent zum Vorjahr erzielen. Dazu verfolgen wir konsequent unsere auf 2030 ausgerichtete Strategie und investieren in neue Innovationen. Das können beispielsweise neue Farbkonzepte, Designteile und Modelle sein, aber auch Software in Form von Lern-Apps oder einem Digitalen Zwilling für unsere Lernfabriken.
PH: Blicken wir nach vorne. Welche Trends werden den Spielwarenmarkt 2024 prägen?
TB: Meist befinden wir uns im Wettbewerb um die Zeit, die Kinder vor Handy, PC oder Konsolen verbringen. Hier wird es um attraktive Angebote gehen, oftmals wird das Spielen hybrid, durch die Verbindung von analog und digital wird es darum gehen, das Beste aus beiden Welten anzubieten. Gleichzeitig sehen wir eine wachsende Bedeutung von spielerischem Lernen, dies zu verschiedensten Themen. Auf der Spielwarenmesse war letztlich Kidults ein Schwerpunktthema, also Spielangebote auch für junge Erwachsene. Genau für dieses Segment haben wir drei Neuheiten vorgestellt, welche die Maker-Community als Zielgruppe haben.
PH: Wie geht fischertechnik mit diesen Trends um? Was sind Ihre Produkte dazu?
TB: Unsere Mission bei fischertechnik ist es, Menschen fit für die Zukunft zu machen, Begeisterung für Technik zu wecken und diese spielerisch begreifbar zu machen. Durch den edukativen Ansatz unserer Angebote möchten wir in der Verbindung aus Hard- und Software sowie didaktischem Begleitmaterial spielerisch zur Erlangung der sogenannten FutureSkills beitragen. Hierin sehen wir unsere Stärke. Neben den klassischen Statik-, Mechanik-, Pneumatik- oder Elektronik-Sets gehören hierzu altersgerecht programmierbare Roboter, Brennstoffzellenautos oder Sets aus der Welt der erneuerbaren Energien.
PH: Was würden Sie jemandem antworten, der Ihre Produkte für ein wenig old fashioned hält, in digitalen Zeiten?
TB: Nun, jedem steht eine subjektive Sichtweise zu. Als Teil unseres aktuellen Erfolgs sehe ich persönlich dagegen genau den Fokus auf das Technikverständnis als unsere Stärke. Fachkräftemangel, ein Basisverständnis von der Funktion einer Maschine, steigende Bedeutung von MINT-Kompetenzen, 21st Century Skills – alles wichtige Themen, die man durchaus auch mit traditionellen Angeboten adressieren kann. In den an die Spielware angrenzenden Bereichen Schule und Industrie haben wir fantastische digitale Produkte. Im Bereich Robotics bieten wir verschiedene Sets mit in Blockly, Scratch oder Python programmierbaren Controllern an. Für unsere Fabriksimulationen gibt es eine brandneue digitale Lernplattform sowie einen digitalen Zwilling als Schnittstelle in die virtuelle Welt.
PH: Wie schaffen Sie es, „nicht-fischertechniker“ für fischertechnik zu begeistern?
TB: Zum einen durch brandaktuelle Themen wie Robotics, regenerative Energien und Technikverständnis im Allgemeinen. fischertechnik ist zudem immer noch 100 Prozent Made in Germany, was sich zusammen mit unserem Service- und Qualitätsversprechen leider im Preis bemerkbar macht. Mir ist bewusst, dass man als nicht-fischertechniker oftmals einen günstigen Einstieg in unser Ecosystem sucht, und sei es nur zum Test. Dazu haben wir im letzten Jahr unter anderem vier Spielesets mit einem UVP von €14,99 vorgestellt. Als Mitnahmeprodukt zum Beispiel für einen Kindergeburtstag oder eine gute Note haben sich diese sehr gut bewährt und sicherlich dem einen oder anderen nicht-fischertechniker seinen Einstieg in unsere Welt ermöglicht. Mit den Neuheiten 2024 haben wir das Angebot daher ausgebaut.
PH: Regenerative Energien. Erzählen Sie uns mehr darüber.
TB: In meinen Augen ein sehr wichtiges Gesellschaftsthema. Mit verschiedenen Konstruktionsbaukästen wie beispielsweise unserem Green Energy wollen wir daher Klima- und Umweltschutz spielerisch schon in jungen Jahren vermitteln. Kinder können Solar, Wind- und Wasserkraft als Energieformen der Zukunft entdecken und so einen erforschenden Einblick in die Gewinnung, Speicherung und Nutzung natürlicher Energieträger gewinnen. Beispielsweise kann hierbei mittels Solar gewonnene Energie für die Aufspaltung von Wasser durch Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff genutzt werden. Bei der Umkehrreaktion entsteht wieder Wasser, die dabei entstandene Energie kann z.B. ein Fahrzeug antreiben. Also genau die Technologie, wenn die Autoindustrie zunehmend über Brennstoffzellenautos mit grünem Wasserstoff spricht. Wie alle Energieformen bringen auch regenerative Energien Herausforderungen mit sich. Wir sind allerdings überzeugt, dass man sich dazu nur eine Meinung bilden kann, wenn man die Zusammenhänge zuvor verstanden hat.
PH: Sie haben in diesem Jahr neue Designbauteile und ein neues Farbkonzept vorgestellt. Was war der Grund dafür?
TB: Nun, Sie selbst haben eben von old fashioned gesprochen. Das ist in Teilbereichen sicherlich nicht ganz von der Hand zu weisen, das sehen wir ähnlich und haben es als Arbeitsauftrag verstanden. Neue Designteile erlauben uns, Modelle näher an der Realität zu bauen, in unserer Steinewelt sind unter anderem Oberflächen gerne eine Herausforderung. Das Thema Farbe ist dagegen ein sehr subjektives, weshalb wir hier eng mit professionellen Design-Agenturen zusammenarbeiten. Ziel ist es dabei weniger, bunt zu werden, sondern unsere Farbpalette durch ein modernes, harmonisches Konzept zu ergänzen. Wir haben entschieden, uns dazu – abhängig vom Modell – mehr auf Schwarz als Grundfarbe zu konzentrieren und für Akzente Farben wie Grün (Robotics), Blau (Kugelbahnen) oder jetzt eben neu Orange und Hellgrau zu verwenden. So bekommen die unterschiedlichen Bereiche eine eigene Designfarbe, und: Schwarz-Orange-Hellgrau sieht einfach mega cool aus!
PH: Lieferkettengesetz und gleichzeitig ordern die Konsument*innen Tonnen von (gefährlichem?) Billigprodukten aus Asien. Wie passt das für Sie zusammen?
TB: Das ist in der Tat ein großes Thema. Mit hohem Aufwand verfolgen wir die Entwicklung im Bereich der Spielwarenverordnung, teils mit Totalverboten bzw. Vorgaben zu etwaigen Gefahrstoffen, die zukünftig teils unter der Nachweisgrenze liegen sollen. Wir investieren viel in Materialforschung und haben mit Animal Friends ein erstes Produkt auf Basis von 60% Biokunststoff. Mir messen den CO2- Ausstoß über den gesamten Produktionsprozess und arbeiten kontinuierlich an Einsparpotentialen. Nur um drei konkrete Bereiche zu nennen. Und dann gibt es Marktbegleiter, die zu Billigstpreisen und weitestgehend systemisch ungeprüft in die ganze Welt exportieren. Unlängst in Fachmagazinen publizierte Tests attestieren in bis 85 Prozent der geprüften Produkte Verstöße gegen heutige Verordnungen. Ich denke, hier hat die Politik einen Regulierungsauftrag, auch zum Schutz der gesamten Spielwarenbranche. Wahrscheinlich hätte aber jeder Konsument mit seiner Kaufentscheidung einen größeren Einfluss auf den Markt. Wo kein Käufer, da kein Geschäft.
PH: Geht es bei Spielzeug wirklich nur um den Preis?
TB: Nein, das denke ich überhaupt nicht, und unser aktuelles Momentum untermauert den Punkt. Es geht um Freude, Themen, Lösungen, Kundenservice, Investitionssicherheit uvm.. Jedes unserer Teile kann einzeln nachbestellt werden und ist kompatibel mit den Bausteinen aus unserem Gründungsjahr. Aber natürlich spricht man eher von einer gesunden Nische als dem adressierbaren Massenmarkt. Ich denke, beides hat seine Daseinsberechtigung. Und ganz klar: Super gern würde ich mittels anderen Preispunkten unsere Produkte in noch viel mehr Spielzimmer dieser Welt bringen und so einen mini Teil dazu beitragen, Kinder fit für die Zukunft zu machen.
PH: Und zum Schluss noch eine ganz private Frage: Was war das Lieblingsspielzeug Ihrer Kindheit? …und es nimmt es Ihnen bestimmt keiner übel, wenn Sie nicht fischertechnik sagen.
TB: Nun, meine Kindheit liegt leider schon sehr lange zurück, das merkt man an den Marken. Ich hatte allerdings das große Privileg, viele verschiedene Dinge ausprobieren zu dürfen. Von der klassischen Holzeisenbahn, über ein ganz anderes LEGO als heute bis Constri, einer Fleischmann Eisenbahn und tatsächlich noch grau-roten fischertechnik Baukästen. Studiert habe ich später Maschinenbau – wer weiß, wo die Lust auf Technik herkam…
Lieber Herr Bußhart, wir bedanken uns für das Gespräch.
Herzlichen Dank Herr Hollo, es hat mir viel Spaß gemacht.
Ph/fischertechnik
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