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Peter Hollo: Die USA - das Ende einer Popkultur-Ikone?

Da steht er nun da, der greatest star spangled, rot-weiß gestreifte Elefant im Raum und keiner möchte ihn so richtig wahrnehmen. Denn dann müsste man auch Schlüsse daraus ziehen, Diskussionen führen, Erlerntes, Ererbtes, mit der nach Coca-Cola und Chewing Gum schmeckenden Muttermilch aufgesogenes neu bewerten oder vielleicht sogar vollkommen neu aushandeln. Das kann sehr lange sehr gut gehen, zumindest bis zu dem Moment, an dem mal einer ein Streichholz dranhält. Dann lassen Sie mich mal zündeln, denn ich bin alt und ob es mich gibt oder nicht, das ist nicht mehr so wichtig. Dabei möchte ich mich nicht am politischen abarbeiten, ich denke an Virtue Signalling fehlt es derzeit in den üblichen (Karriere-)Netzwerken eher nicht. Lassen Sie uns über was anderes reden. Und das geht so:

 

Abseits aller politischen Implikationen könnten die Ereignisse in den USA ganze Märkte, auch unseren Spielwarenmarkt, nachhaltig und dramatisch verändern. Tesla dürfte hier nur die prominente Spitze des Eisbergs sein. Es dürfte naiv sein zu glauben Konsument*innen würden ihre Konsum- und Kaufentscheidungen wie bisher beibehalten. Der Boykott amerikanischer Produkte und Services wird kommen, ganz ohne dass es einer zentral gesteuerten Organisation bedarf. Die einzige Frage, wie weitreichend wird er sein? Blickt man auf die Kanadier, dann wird schnell klar, dass kann sehr massiv werden. Denn bei vielen wird sich zukünftig so etwas wie ein Störgefühl einstellen, so eine leise Stimme im Kopf, die sagt "halt, das ist ein amerikanisches Produkt oder eine amerikanische Marke, sollte ich nicht lieber...?". So ein permanenter Subtext im Kopf, gegen den man sich nur schwer wehren kann.

 

Und selbst das könnte noch viel zu eindimensional gedacht sein. Bis zum Tag der Machtergreifung in den USA, waren die USA die Popkultur-Ikone Nummer Eins. Ob berechtigt oder unberechtigt, das lassen wir mal dahingestellt, immer wenn es um Freiheit und Abenteuer ging, um endlose Highways, um Entdeckermut, Fortschritt und Innovation, um nur einige Begriffe aus dem Assoziationscluster zu nennen, dann verband man das mit US Amerikanischer Provinienz oder Symbolik. In Bilderspache und Ästhetik, mit nötigen und unnötigen Anglizismen, mit der amerikanischen Flagge auf allem, was cool und freiheitsliebend sein sollte. All das ist nun weg! Unwiderbringlich und für immer beschmutzt. So mancher eher unverdächtige Character aus einem amerikanischen Animationsstudio könnte demnächst eher ein Umsatzkiller als ein Umsatzmagnet werden. So manche harmlose Marke, und vor allem der Verzicht darauf, zum patriotischen Statement.

 

Und jetzt? Und das ist wirklich eine offene Frage.

 

Werden deutsche Unternehmen zukünftig "made in Germany" oder "made in the EU" als Qualitätssiegel und Marketingtool verwenden? Um sich klar abzugrenzen? Um nicht mit einem amerikanischen Unternehmen verwechselt zu werden? Werden Kanadier, Australier, Briten und andere alles tun um jede Verwechslungsgefahr auszuschließen? Wird die Einsicht, dass wir verteidigungsfähig sein müssen dazu führen, dass zukünftig Spielprinzipien, die auf Konkurrenz oder Gewinnen basieren eine neue Renaissance erleben? Also vorbei mit ner Fleißbiene nur für bloße Anwesenheit? Freund - Feind, statt kooperativer Spiele? Werden wir mehr Wert legen auf Sport und körperliche Fähigkeiten im Spiel? Wird Kriegsspielzeug als Verteidigungsspielzeug zurückkommen? Werden aus Brands wieder Marken werden? Aus HR die Personalabteilung und der Facility Manager wieder zum Hausmeister? Was vielleicht jetzt noch bedrohlich oder lustig klingt, je nachdem, wo man so politisch steht, das könnte zum Gamechanger werden ...Uups Anglizismus. Entscheiden wird das am Ende die Mehrheit. Es muss uns nur klar sein, dass wir als freie westliche Gesellschaften gerade inmitten einer Paradigmendrehung um 180 Grad stehen. Da wird sich auch unsere Branche nicht rausmogeln können.

 

Nachdem wir nun einige Schichten abgetragen haben, graben wir noch eine tiefer. Die letzte, versprochen.

 

In der Literatur und im Film gibt es sieben Grundplots, nach Christopher Booker. Vier davon sind: Die Überwindung des Monsters, Vom Tellerwäscher zum Millionär (vom Bettler zum König), Das Streben (die Mission), Reise und Rückkehr. Jeweils kombiniert mit den restlichen drei: Komödie, Tragödie oder Wiedergeburt, ergibt das den amerikanischsten Plot aller Zeiten, die Heldenreise. Seit Jahrzehnten präsentiert uns das Hollywood in allen nötigen und unnötigen Nuancen. Nahezu jeder Hollywood-Kracher der letzten Jahrzehnte basiert genau darauf. Eigentlich sehen wir immer den gleichen Film, nur mit anderen Protagonisten, Antagonisten und Settings. Den amerikanischen Helden, oder einen, der Amerikaner sein könnte/müsste, der die Prinzessin (Damsel in distress), das Land, die Galaxie oder das ganze Universum rettet.

 

Was wenn wir beim nächsten mal, wenn ein einstmals von sinistren Mächten geschlagener Navy-Seal oder gar der US-Präsident selbst wieder zur Waffe greift und uns im Alleingang vor Terroristen, Aliens oder dem klimatischen Weltuntergang rettet, zum Wohle der ganzen Welt, was wenn wir dann plötzlich abwinken und sagen "lass mal stecken"? Wenn Popkornkino nicht mehr wohliges Schaudern auslöst, sondern Hohn und Spott? Dann wäre sie mausetot, die Popkultur-Ikone USA.

 

Seltsam? Aber so steht es geschrieben.

 

P.S.: Ich hatte in meinem Leben das Privileg viel reisen zu dürfen. Meine Reisen führten mich in 39 Bundesstaaten der USA. Neben all der Arroganz, Ignoranz, dem permanenten Überlegenheitsgefühl und schlimmer Bigotterie existiert noch ein ganz anderes Amerika. Ein wunderbares. Voller grandioser gastfreundlicher Menschen, die hart und ehrlich arbeiten und genauso gerne wie wir, lachen, essen und trinken. Ein Amerika, mit einer Natur von atemberaubender Schönheit. Dass ich solche Gedanken überhaupt anstellen muss, das bricht mir das Herz.

Kommentare: 1
  • #1

    JAKOB Jakobson (Samstag, 22 März 2025)

    Hallo Peter Hollo,

    ich lese sehr gerne deine Beiträge.
    Finde die zutreffend und zeitgemäß.
    Freue mich immer wieder aus neue.

    MFG